KI Content: Chancen und Risiken für KMU

Wolfgang Müller

Wolfgang Müller

Es ist soweit: maschinell trainierte Systeme beantworten selbst komplexe Anfragen so, dass es intelligent erscheint. Insbesondere ChatGPT vom Herausgeber OpenAI sorgt für Furore, seit die zugehörige Website für die breite Öffentlichkeit geöffnet wurde. Nun ist die Versuchung riesengroß: Das Tool kann Unmengen von Text in kurzer Zeit generieren – und findet selbst in fachlichen Nischen immer eine Antwort. Gerade in StartUps, kleinen und mittelständischen Unternehmen waren die Ressourcen für die Content-Erstellung bisher knapp. Ist KI Content jetzt der Ausweg?

Wichtig ist, vorab zu wissen: ChatGPT ist nur EIN Beispiel für eine ganze Armada an neuen digitalen Helfern, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten. DALL-E, ein KI-Bildgenerator, gehört ebenfalls zu OpenAI. Weitere Werkzeuge, die auf der GPT-3-Technologie aufsetzen, die auch ChatGPT nutzt, sind etwa byword.ai (ein SEO-Content-Generator), oder auch originality.ai – ein Tool, das dazu dienen soll, mit KI generierten Content aufzuspüren. Weil es momentan so wirkt, als sei der Suchmaschinenbetreiber Google etwas hinterher in der Entwicklung, hat der Search-Gigant seine Medienmaschine angeworfen und informiert jetzt verstärkt darüber, dass KI längst auch in der Google-Suche angewendet wird.

Warum ist überhaupt Vorsicht geboten?

Ohne Zweifel bietet diese Entwicklung neue Chancen. Aber gleichzeitig auch neue Risiken: Denn die Qualität der Ergebnisse hängt nicht nur von den neuen Werkzeugen ab – sondern entscheidend davon, wie geschult die Menschen sind, die sie nutzen. Das hat zwei Hintergründe:

  1. Die neue Schlüsselkompetenz auf diesem Gebiet heißt „Prompting“. Prompts heißen die Anweisungen, die menschliche Nutzer den KI-Programmen vorgeben, um gute Ergebnisse zu erhalten: Strukturvorschläge für Aufsätze oder Website-Architekturen, ausgewogene Fachtext-Entwürfe oder ganze Erklärvideos, die auf Basis eines KI-generierten Skripts in Minuten statt Stunden fertig sind.
  2. Die zweite Schlüsselkompetenz ist „Fachautorität“. Denn die neuen KI-Modelle sind bei weitem nicht perfekt. Die sogenannten Large Language Models, auf denen sie basieren, sind nur so gut wie die Trainingsdaten und Sprachmodell-Muster, die ihnen zugrunde liegen. Sie sind darauf konditioniert, eine Antwort auf JEDE Vorgabe zu geben – auch wenn die Vorgabe völlig unsinnig ist. Und sie geben auf sinnvolle Fragen zum Teil fehlerhafte Antworten, die sprachlich aber sehr überzeugend klingen.

Als Experte für Suchmaschinenoptimierung, Website-Architekturen und Content im Marketing setze ich mich intensiv mit den hier beschriebenen Entwicklungen auseinander. Mein persönliches Ziel ist es, KI Content seriös in mein Skillset (Fähigkeitsprofil) zu integrieren und meine Kunden und Arbeitgeber somit noch besser bedienen zu können.

KI Content generieren: So funktioniert Prompting

Beispiel: Ich trainiere derzeit das bereits beschriebene Prompting. Aber für mich gehört es auch immer dazu, die Grundlagen zu verstehen. Im Fall der neuen ChatGPT-Anwendung habe ich den Bot selbst gebeten, mir die wichtigsten Grundbegriffe samt einer Erklärung dazu aufzuschlüsseln. Hier ist die Antwort, die die KI synthetisiert hat:

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ChatGPT-Beispiel 1; Quelle: OpenAI

Vielleicht geht es Ihnen wir mir: Ich war zunächst tief beeindruckt: Das Ergebnis entstand in wenigen Sekunden, die Gliederung ist sauber und die KI hat Begriffe ausgewählt, die so richtig nach „Experte“ klingen. Aber meine Begeisterung schwand schnell. Aus diesen Gründen:

  • Zwei Tage später schaute ich mir die Antwort wieder an. Und dann dachte ich an die Zielgruppe für meinen geplanten Beitrag „KI Content: Chancen und Risiken für KMU“. Ich hatte an Einsteiger als Leser gedacht. Insbesondere der dritte Bulletpoint auf der Liste, der Begriff „Fine-Tuning“ erschien mir sehr komplex beschrieben. Ehrlich gesagt: Ich verstehe kein Wort davon, was dort geschrieben steht.
  • Dann meldete sich zusätzlich der Stilkritiker in mir. Der Satz „Fine-Tuning ist der Prozess des Anpassens eines vorgefertigten Modells…“ weist so viele Stil-Schwächen auf, dass es mir graust: Zu viele Nomen (Substantive) erschweren das Lesen. Außerdem ist schon der zweite Satz eine Fast-Wiederholung des ersten. Auf „Anwendungsfall“ folgt „Anforderungen des Anwendungsfalls“. Hier wird klar: Das hat eine Maschine formuliert ohne Ahnung von Menschen.

Okay. Also aufhören, ChatGPT zu nutzen und die Flinte ins Korn werfen? Halt. Damit würden Sie und ich das Modell maßlos UNTERschätzen. Das sehen Sie an meinem nächsten Prompt.

KI Content verbessern durch iteratives Prompting

Mit meinem nächsten Prompt weise ich das Modell auf die aus meiner Sicht nicht ausreichende Qualität der Antwort hin. Und gleichzeitig formuliere ich ein neues Ziel: Bitte mach es diesmal einfacher. Hier sehen sie diesen neuen Konversationsausschnitt und das neue Ergebnis:

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ChatGPT-Beispiel 2; Quelle: OpenAI

Jetzt bin ich beeindruckt. Die KI hat nicht nur die Sätze gekürzt und die Sprache vereinfacht. Nein. Sie hat auch die Reihenfolge der erklärten Begriffe geändert – in einer Art und Weise, die das sukzessive Verständnis fördert. In der Liste wird nun zuerst erklärt, dass die KI die menschliche Sprache verstehen kann, dann die Tatsache, dass sie mit Daten trainiert wurde und anschließend das Fine-Tuning. Jetzt kann ich diesen Begriff verstehen: Fine-Tuning ist das Training für den Spezialfall, also für das Gebiet, in dem eine KI ihre besondere Stärke hat. Und last not least hat der Chat noch weitere Begriffe ausgewählt („Input“ und „Output“), die für Einsteiger noch zusätzlich wichtig sein können.

Kann ich jetzt zufrieden sein und das Ergebnis veröffentlichen, zum Beispiel auf meiner Webseite? Hm. Was würden Menschen als nächstes tun? Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter legt Ihnen dieses Ergebnis vor. Als seriöses Unternehmen möchten Sie ihren Nutzern und Mitarbeitern (vielleicht erscheint ihr Beitrag zu KI Content ja in ihrem Intranet) verlässliche Daten bieten. Bei der unvermeidlichen Korrekturschleife für neuen Content (ich hoffe, Sie haben eine in ihrem Unternehmen) würde auffallen: Der Autor nennt keine Quellen. Und Sie als Korrekturleser wissen nicht, ob stimmt, was da steht. Wie kann die Qualitätsprüfung aussehen?

Methoden für Qualitätsprüfung: Originalität, Plausibilität und Factfulness

Ich schlage drei Herangehensweisen vor, mit denen Sie KI Content absichern können, was die Qualität angeht: Originalität, Plausibilität und Factfulness. Was meine ich mit diesen Begriffen?

  • Originalität: Dieser Begriff bezieht sich auf die Frage, wie Sie im Unternehmen künftig sicherstellen können, ob ein Stück Inhalt von einer KI oder von einem Menschen erstellt wurde. Spoiler Alert: Das läuft auf eine maschinelle Prüfung hinaus – oder auf eine seltsame Sprechstunde.
  • Plausibilität: Dieser Begriff bezieht sich auf die Frage, ob das textliche (oder bildliche) Ergebnis den Eindruck erweckt, dass hier eine relevante Frage im Sinne der Zielgruppe relevant beantwortet wird. Das läuft auf die Anwendung von Menschenverstand hinaus – mit klarem Bewusstsein für den Mehrwert und mit hohem Verständnis für die eigenen Zielgruppen (=Marketing-Knowhow).
  • Factfulness: Falls Fakten im vorgelegten Text präsentiert werden: Haben diese in Zahlen oder Definitionen niedergelegten Fakten einen Quellenverweis. Das läuft auf die Zusatzrecherche und Verifizierung der Quellenlage hinaus – zum Beispiel via Google.

Während die Punkte 2 und 3 aus meiner Sicht ziemlich selbsterklärend sind, ist Punkt 1 sicher besonders kritisch und schwierig. Die KI Content Generatoren sind, wie Sie sehen, jetzt so gut, dass unklar ist, ob ein Mensch nur eine Vorlage produziert und selbst weiterentwickelt hat oder ob er einfach ein KI-Stück ohne weitere Änderung vorlegt. Um dem auf den Grund zu gehen, müsste der Autor sein Werk in einer Art seltsamer Sprechstunde verteidigen – so wie eine akademische Arbeit.

Diesem Problem widmen sich die Betreiber von originality.ai. Sie verwenden die neuen Technologien wie GPT-3 umgekehrt: Nicht, um Content zu synthetisieren, sondern um Inhalte aufzuspüren, die mit AI bzw. KI Tools erstellt worden sind. Das wird ein neues Rennen der Zukunft: Die einen wollen immer undetektierbar bleiben, die anderen wollen immer alles aufdecken können. Aber: originality.ai verspricht eine sehr hohe Aufdeckungsquote. Mit ansteigender Treffsicherheit, je umfangreicher der Content ist, der ohne weitere Änderung mit KI generiert und veröffentlicht wurde.

Letztlich geht es auch um Fragen nach Urheberrecht und Nutzerrecht. Diese sind zum jetzigen Zeitpunkt aus meiner Sicht noch gar nicht klar, vor allem in Bezug auf unveränderten KI Content: Ich empfehle, zur Sicherheit die jeweilige KI als Urheber zu nennen, so wie ich es in diesem Beitrag an den entsprechenden Stellen getan habe. Sicher ist: Unternehmen sollten einen Blick in die Terms und Conditions werfen – hier z.B. geht es zu den Terms von ChatGPT.

Schauplatz Suchmaschinenoptimierung: Warum Google seine Maßstäbe nicht ändern muss

Besonders große Gier lösen die neuen Tools aus, wenn es um die Suchmaschinenoptimierung (SEO) geht. „Content ist King“, heißt es seit Jahren. Und das stimmt auch: Inhalte, die mit hoher Expertise und Bezug zu relevanten Themen nutzerfreundlich aufbereitet ins Netz gestellt werden, haben die höchsten Chancen auf die besten Positionen in der Google-Suche. Lässt sich diese lästige Aufgabe jetzt einfach an die Tools übertragen?

Wenn es ganz einfach wäre, hätte ich diesen ganzen Beitrag gar nicht mehr selbst verfasst. Doch ich weiß genau: Niemand anderes außer ich selbst hätte diesen Beitrag in genau dieser Form geschrieben – und schon gar keine KI. Ich habe mir aber Hilfe geholt für den Beitrag: Einmal durch Keyword-Recherche (rund um „KI Content“) und einmal durch die Beiträge, die ich den Bot habe schreiben lassen – weil ich ja illustrieren wollte, wie dieser arbeitet.

Also: Nein. Die Tools werden nicht den kompletten Content-Teil im SEO für sie erledigen. Aber sie werden deutlich zum Erfolg beitragen. Google selbst hat zum Thema Content-Qualität inzwischen erklärt, dass die Maßstäbe gleich sind für KI Content und für menschlich generierten Content. Was hoch relevant, aktualitätsbezogen und mit nachweislich hoher Fachautorität verfasst ist, hat die besten Chancen auf gutes Ranking. Das ist auch die Kernaussage eines zentralen Update für den Suchalgorithmus von Google: Das Helpful Content Update.

Aber die Sorge um die Frage „Wird Google meinen KI-Content abstrafen?“ ist eigentlich gar nicht das Problem. Wirklich wichtig ist: Eine Website voller KI-Text wird sehr wahrscheinlich keinen Nutzer der Welt aktivieren. Was schlechte SEO-Texter aus meiner Sicht gerne vergessen: Unternehmen verkaufen ihre Dienste ja gar nicht an unmotivierte Suchmaschinen, sondern haben Stakeholder, potenzielle Kunden und Mitarbeiter, die geschult, interessiert, sensibilisiert, begeistert, verrückt gemacht, in schiere Panik versetzt (ich scherze) usw. werden wollen. Am Ende spielen menschliche Emotionen und Motive immer eine Rolle: Auch beim Austausch von Leistungen.

Fazit: Viele neue Chancen, aber nur mit Skills und Umsicht zu genießen.

Ich denke, es wird klar: Die schöne neue Welt ist die alte, nur mit neuen Möglichkeiten. Qualität bleibt vor allem aus Nutzersicht und damit aus Sicht ihrer Zielgruppen immer das Gleiche. Nutzer sind knallhart, denn sie denken: Was mich nicht juckt, klicke ich sofort weg, oder das klicke ich gar nicht erst an! Und die Mühe, die vorher ins reine Texten geflossen ist, muss jetzt in die Konversation mit den KI Content Generatoren fließen, also ins Prompting. Und in die anschließende Qualitätssicherung!

In einem Punkt bin ich mir sehr sicher: Wer heute ein Fachtexter ist, wird auch die besten Prompts für Textgenerierung schreiben. Und wer heute ein SEO-Experte ist, wird die besten Prompts für SEO-Optimierungsaufgaben schreiben können. Dieses Prinzip lässt sich beliebig übertragen auf Programmierer, Videoersteller, Grafiker und andere. Also ersetzt die KI auch kaum wirklich Jobs – sie verändert nur Job-Profile (und ihre HR-Anzeigen)! Denn: Sonst kommt nur Mist raus – und im Unternehmen werden Sie sonst Opfer des eigenen Umgangs mit den neuen Tools.

Eine kleine Bitte…

Ich hoffe, dieser Beitrag hilft möglichst vielen KMU dabei, eine erste Einschätzung zum Thema KI Content zu gewinnen – mit dem Ziel, Chancen und Risiken richtig zu erkennen. Das gewählte Beispiel ist nur ein sehr kleiner Einblick in die Möglichkeiten, die ChatGPT und andere Tools wirklich bieten – im Zusammenspiel entfalten KI-Tools erst ihre wirkliche Power. Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, hier eine kleine Bitte:

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